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Bo Giertz

Die Ritter von Rhodos

Die Ritter von Rhodos

1521: Ein neues Jahr über einer neuen Welt mit neuen Nationen, Kontinenten und Herrschern. Rhodos und Belgrad scheinen die sichersten Festen der Christenheit im Osten zu sein, doch am Horizont leuchten die zerstörerischen Flammen des jungen Süleymans, Sultan des Osmanischen Reiches.

Als Belgrad schließlich fällt, ist sicher, dass auch Rhodos bald zum Krieg rüsten muss. Unter der schützenden Hand des Johanniterordens beginnt auf der griechischen Insel ein Ringen um Leben und Tod – und den Erhalt des Glaubens.

Seiten: 284

Bo Giertz

ISBN:978-3-8107-0331-6

Seiten: 284

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Bo Giertz

Leseprobe

Das Jahr 1521 hatte begonnen. Ein neues Jahr über einer neuen Welt mit neuen Nationen, neuen Kontinenten, neuem Wissen, neuen Gedanken und neuen Herrschern. Schon lange nicht mehr war so viel Macht in so jungen Händen vereinigt gewesen.
In Frankreich regierte Seine Allerchristlichste Majestät, der 26-jährige König Franz – sofern er gerade regierte und nicht mit Jagen oder Tanzen beschäftigt war oder damit, in holprigen Versen Liebesbriefe an Madame de Chateaubriand zu schreiben. Verwöhnt, bewundert, erfolgreich und mit sich selbst beschäftigt, konnte er bereits auf große Erfolge zurückblicken. Zu seinen größten Erfolgen zählte, dass er die unüberwindbaren Schweizer bei Marignano geschlagen und seinen Cousin Heinrich im Ringkampf besiegt hatte. Das war, als sie sich letzten Sommer im Camp du Drap d’Or, dem Feld des Güldenen Tuches, getroffen hatten, einem riesigen Galaspektakel von aberwitzigem Luxus.
Heinrich VIII., der Unterlegene, war der Älteste unter den jungen Herrschern und bereits 29 Jahre alt. Mit unersättlichem Appetit hatte er sich bisher all das einverleibt, was die Macht eines Königs und eine gut gefüllte Staatskasse einem glänzenden, lebenshungrigen Athleten gewährten. Er hatte nach Herzenslust gejagt, geschlemmt, geliebt, getrunken und getanzt und den verhassten Papierkram seinem Lordkanzler überlassen; was ihn nicht daran hinderte, ein gelehrter Mann zu sein, ein eifriger Disputant und Autor, der soeben eine Streitschrift gegen den Ketzer Luther zu Papier gebracht hatte. Im vergangenen Jahr hatte er damit begonnen, die Zügel allmählich wieder straffer zu ziehen. Nach all der Pracht im Feld des Güldenen Tuches und der spektakulären Verbrüderung mit seinem Cousin Franz hatte er in aller Stille mit Kaiser Karl verhandelt, um sich andere Möglichkeiten offen zu halten.
Kaiser Karl war der Jüngste unter den Jungen, noch keine 20 Jahre alt. Im vergangenen Oktober war er zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gekrönt worden. Er galt als wenig begabt, ein Stümper in Sachen Fremdsprachen, und er war hässlich, ernst und schweigsam. Von seinem Vater und seinen Großvätern hatte er Länder und Kronen geerbt, und er hatte die burgundischen und österreichischen Erbländer mit Spanien und all seinen Vasallenstaaten in Süditalien und jenseits des Meeres zu einem immer größer werdenden Imperium vereinigt. Cortez war gerade dabei, die Eroberung Mexikos zu vollenden, und Magellan hatte Kap Horn umrundet, um anschließend den Stil- len Ozean zu durchqueren und damit die erste Weltumsegelung zu vollbringen. Die ausländischen Gesandten, die den jungen, vorsichtigen und zurückhaltenden Kaiser auf seiner Reise durch die Niederlande und Deutschland begleiteten, berichteten, dass dieser nicht ganz so unbedeutend zu sein schien wie alle glaubten.
In Deutschland ritt man auf verschneiten Wegen zum Reichstag in Worms. Die Neugier auf die Begegnung mit dem Kaiser war groß; noch größer vielleicht wegen der Aussicht, Bruder Martin aus Wittenberg sehen zu können. Er hatte das Geleit des Kaisers und man wusste, dass er zu kommen gedachte. Doch was dann geschehen würde, wagte keiner sich auszumalen.
In Rom warf Papst Leo X. am 3. Januar endgültig den
Bannstrahl auf den kleinen, aufrührerischen Mönch. Mit 45 Jahren war Leo bereits ein alternder Mann, fett und unförmig, dazu kurzsichtig und bis über beide Ohren verschuldet. Seit Kindesbeinen daran gewöhnt, die Einkünfte der Kirche für seine eigenen Bedürfnisse verwenden zu dürfen, war er als Achtjähriger mit einer Abtei, als Elfjähriger mit einem Erzbistum und als 13-Jähriger mit der Kardinalswürde beglückt worden. Er war freundlich und in der Heiligen Stadt wohl gelitten, doch auf tragische Weise unfähig, Menschen zu verstehen, für die die Frage nach ihrer Errettung bitterer Ernst war.
Im gleichen Monat Januar fuhren drei Männern auf Skiern durch die tief verschneiten Wälder an der schwedischen Grenze in Richtung Mora. Zwei von ihnen hatten den Dritten, einen 26-Jährigen aus dem Geschlecht der Wasa, abgeholt. Keiner von ihnen ahnte, dass sein Name einmal ebenso berühmt sein würde wie Valois, Tudor, Habsburg oder Medici.
Jenseits der Grenzen der Christenheit hatte ein weiterer junger Mann die Führung übernommen. Während Karl V. in Aachen zum Kaiser gekrönt wurde, bestieg gleichzeitig der zehnte Sultan aus dem Geschlecht der Osmanen den Thron seiner Väter, auch er 26 Jahre alt. Es war Süleyman, Herrscher über eines der größten Reiche der Welt, auch er ein unbeschriebenes Blatt. In Rom, Paris und Madrid atmete man erleichtert auf. Selim, sein Vater, hatte dafür gesorgt, dass sich die Bedrohung aus dem Osten zu unheilschwangeren Gewitterwolken zusammenbraute. Nun hoffte man auf eine Verschnaufpause, plante die Festlichkeiten des Frühjahrs, intrigierte und pflegte alten, gegenseitigen Groll.