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Günter Krieger

Furor Normannicus

Furor Normannicus

Ende des 9. Jahrhunderts fallen die Wikinger mordend und plündernd in das marode Karolingerreich ein. Vor allem das Rheinland und die Eifel werden aufs Fürchterlichste verwüstet. Der Adel hält sich mit Hilfe von Schutzgeldzahlungen schadlos und rührt kaum einen Finger, dem blutigen Treiben Einhalt zu gebieten. Leidtragende sind die Bauern. Vielerorts beginnen sie, sich zu bewaffnen, um sich ihrem Schicksal nicht kampflos zu ergeben.

Auch Uta, eine junge Frau mit seherischen Gaben, befindet sich auf der Flucht vor den Wikingern. Begleitet wird sie von ihrem kränkelnden Bruder Hugo und dem Knecht Arbo. Zuflucht erhoffen sie sich in der Bischofsstadt Mainz. Doch der Weg dorthin gerät zu einer Odyssee voller Gefahren. Uta geht es nicht nur um den Schutz hinter den wehrhaften Stadtmauern. In Mainz hält sich der Mörder ihres Vaters auf, der seiner Strafe nicht entgehen darf.

Seiten: 242

Günter Krieger

ISBN:978-3-96123-036-5

Seiten: 242

Normaler Preis €15,00 EUR
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Günter Krieger

Günter Krieger, 1965 in Langerwehe geboren, lebte als Kind auf Schloss Merode, wo sein Vater als Kastellan arbeitete. Diese frühen Jahre haben ihn so geprägt, dass er eines Tages damit begann, Historienromane zu schreiben. Die meisten seiner Werke sind in der Eifel oder im Rheinland angesiedelt, in vielen spielen Burg und Herrschaft Merode gar wichtige Rollen. Seit 1999 hat der gelernte Krankenpfleger mehr als dreißig Bücher veröffentlicht.

Leseprobe

Sommer 875 A. D.
Das warnende Gezeter des Eichelhähers musste meilenweit zu hören gewesen sein. Die von dem aufmerksamen Waldwächter proklamierte Gefahr bestand aus zwei etwa zwölfjährigen Mädchen, die Hand in Hand durch den sommertrockenen Wald streiften und in regelmäßigen Abständen laut kicherten.
»Bist du sicher, dass er schon Haare auf der Brust hat?«
»Todsicher! Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen.«
Die andere blieb stehen. Braune Haarsträhnen klebten in ihrem hübschen sommersprossigen Gesicht, wo sich ihr Mund zu einem ungläubigen Lächeln verzog. »Gesehen? Rotrud! Hast du etwa ... hast du mit ihm –?«
»Nein, natürlich nicht. Wo denkst du hin, Uta?« Abermals kicherten beide.
»Woher weißt du es dann?«
»Weil ich ihn beobachtete, als er mit ein paar Männern am Wassergraben der Burganlage arbeitete. Er trug nur eine Hose.«
»Du bist verliebt in ihn, nicht wahr?«
Rotrud mied Utas Blick und setzte ihren Weg fort. Mit hüpfenden Schritten folgte ihr Uta.
»Gib’s ruhig zu.«
»Ach, Uta ...«
»Aber wie steht’s mit ihm? Mag Grifo dich auch?«
»Ich glaube schon. Jedenfalls hat er mir gewunken, als er mich sah.«
»Und was geschah dann?«
»Nichts. Mein Vater hatte inzwischen seine Angelegen­heiten geregelt. Wir sind dann wieder nach Hause gegangen.«
»Weiß Grifo, dass du kommst?«
»Wie hätte ich ihm das denn mitteilen sollen?«
»Warum hast du mich gebeten, dich zu begleiten? Du willst doch bestimmt alleine mit ihm sein. Was ich gut verstehen könnte.«
Diesmal war es Rotrud, die im Gehen verharrte und ihrer Freundin ergeben in die Augen sah. »Ach, weißt du, Uta, es ist so: Ich bin doch so schüchtern. Aber wenn du bei mir bist, ist alles anders. Dann habe ich den Mut, den ich sonst nicht hätte.«
Uta streichelte der Freundin lachend durchs blonde Haar. »Also schön, ich werde sehen, was ich für dich tun kann. Trotzdem wirst du irgendwann ohne mich auskommen müssen, wenn du Grifo für dich alleine haben willst. Komm jetzt! Sonst sind wir morgen noch nicht bei der Burg.«
»Einen Augenblick!«
»Nun?«
»Uta! Du bist meine beste Freundin. Ich will, dass du es immer bleibst.«
»Immer und ewig. Was sollte uns denn entzweien?«
Es war ein brütend heißer Sonntagnachmittag im August. Die Mädchen genossen den Schatten, den die Bäume spendeten. Eine ganze Weile schwiegen sie, versunken in ihre Gedanken. Zu ihrer Rechten, wo der Wald sich lichtete, flimmerten die uralten Römermauern Jülichs am Horizont. Doch die Stadt war nicht ihr Ziel. Als sie den Waldrand erreichten, lag die Burg plötzlich vor ihnen. Die von einer Palisade umgebene Behausung des Gaugrafen auf der Spitze des Hügels war der prallen Sonne schutzlos ausgeliefert. Am Fuß standen die hölzernen Hütten der ebenfalls umzäunten Vorburg, wo Rotrud ihren Liebsten wähnte. Ein breiter Wassergraben, der sich aus der nahen Rur speiste, legte sich schützend um die gesamte Anlage, in der sich nichts zu regen schien.
»Wie ausgestorben«, murmelte Rotrud. Nachdenklich rieb sie sich das Kinn und stutzte dann. »Die Nordmänner! Vielleicht waren sie hier und haben alle umgebracht.«
»Unsinn!« Uta schüttelte den Kopf. »Hätten die Nordmänner hier gewütet, dann sähe es wohl anders aus. Bedenke, heute ist Sonntag. Und an dem sollte man ruhen, sagen die Priester. Im Gegensatz zu uns haben sich die Leute das hier wohl zu Herzen genommen.«
Rotrud, immer noch skeptisch, blinzelte. Erst als hinter dem Zaun das Geschrei zweier spielender Kinder und das Gebell eines Hundes zu hören waren, legte sich ihr Misstrauen. »Und wie bekomme ich jetzt Grifo zu Gesicht?«
»Ganz einfach: Du spazierst über diese Holzbrücke dort, klopfst ans Tor und fragst nach ihm.«
»Ich soll ...? Nein, das kann ich nicht.«
»Nein?«
Rotrud fuchtelte verzweifelt mit ihren Fingern. »Was ist, wenn seine Eltern mich sehen? Und überhaupt: Ich käme mir töricht vor.« Über ihr Gesicht huschte ein trotziger Schatten. »Außerdem ist es Sache des Mannes, um eine Frau zu freien. Nicht umgekehrt.«
»Das wird nicht einfach mit dir«, seufzte Uta.
»Du musst mir helfen«, bettelte die Freundin.
»Gewiss. Verschwinde ins Gebüsch und warte, bis ich mit Grifo zurückkomme.«
Rotrud riss Uta an sich und küsste stürmisch ihre Wange. »Das werde ich dir niemals vergessen.«
»Nicht der Rede wert. Und jetzt mach dich dünn.«
Uta schritt über die knarrende Brücke. Im Wasser trieben drei träge Enten. Das Hundegebell hinter der Umzäunung wurde lauter. Es roch nach Fisch und brackigem Wasser. Als Uta das Tor erreichte, ließ sie ihre Faust mehrmals gegen das Holz krachen.
»Heda!«, rief sie, als nach einer Weile noch niemand geöffnet hatte. »Besitzt jemand die Güte, nach meinem Begehr zu fragen?«
Endlich wurde von innen ein Riegel beiseitegeschoben. Hinter dem sich öffnenden Spalt erschien das übellaunige, stoppelige Gesicht eines gedrungenen Mannes. Fliegen umkreisten seinen Kopf, in dem zwei reizbare Augen blitzten.