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Sebastian Moll

Theologische Denkfehler

Theologische Denkfehler

Warum Vertrauen gut, aber Verstehen noch besser ist, warum Kompromisse in theologischen Fragen nicht funktionieren und weshalb politische Korrektheit nichts mit Anstand zu tun hat – diese und viele andere weit verbreitete Irrtümer und theologische Denkfehler greift Sebastian Moll in seinen 25 in diesem Band erstmals gesammelten Artikeln aus der katholischen Wochenzeitung Die Tagespost auf.

Entstanden ist ein knappes aber treffendes Kompendium mit Richtigstellungen theologisch-philosophischer Allgemeinplätze, gar »gottloser Dämlichkeiten«, wie es der Autor überspitzt auf den Punkt bringt.

Eine Pflichtlektüre für theologisch Interessierte!

Seiten: 108

Sebastian Moll

ISBN:978-3-8107-0358-3

Seiten: 108

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Sebastian Moll

Leseprobe

I. DER WERT DES RICHTIGEN DENKENS
Warum ›Rechthaber‹ eigentlich ein Kompliment ist

»Jesus war kein Rechthaber, sondern ein Liebhaber.« Seit Jahren schon geistert diese Formulierung durch ditheo- logische Landschaft und soll so viel besagen wie: Streitet nicht über theologische Fragen, sondern habt Euch einfach nur lieb, denn Jesus hat es ebenso getan! Es handelt sich um eine jener Aussagen, die von einer solch gottlosen Dämlichkeit sind, dass man gar nicht weiß, wo man an- fangen soll, sie zu widerlegen.

Zunächst einmal möchte man fragen, ob sich ihre Urheber bzw. Vertreter darüber im Klaren sind, was man in der deutschen Sprache für gewöhnlich unter einem ›Liebhaber‹ versteht. Aber das könnte man noch als einen – wenngleich wenig geistreichen – Versuch einer überspitzten Formulierung durchgehen lassen. Gewichtiger ist die Frage, ob diese Leute auch einmal einen Blick in die Evangelien geworfen haben, oder vollständig in ihrer eigenen Jesus-Projektion verharren. Wobei das natürlich eine rhetorische Frage ist, denn ganz offensichtlich kann ersteres nicht zutreffen. Hätten sie das Evangelium auch nur ein wenig studiert, wäre ihnen aufgefallen, dass Jesus sehr wohl andere Menschen belehrt und gegebenenfalls sogar harsch in ihren Irrtümern bloßstellt. Diejenigen, die Jesu Kritik am stärksten abbekommen, sind die Schriftgelehrten und Pharisäer, denen er im Matthäusevangelium ein ganzes Kapitel lang die Leviten liest. Ein kurzer Auszug:

»Weh euch, ihr seid blinde Führer! Ihr sagt: Wenn einer beim Tempel schwört, gilt es nicht, wenn er aber beim Gold des Tempels schwört, gilt es. Ihr blinden Narren! Was ist wichtiger: das Gold oder der Tempel, der das Gold erst heilig macht? Auch sagt ihr: Wenn einer beim Altar schwört, gilt es nicht, wenn er aber bei dem Opfer schwört, das auf dem Altar liegt, gilt es. Ihr Blinden! Was ist wichtiger: das Opfer oder der Altar, der das Opfer erst heilig macht? Wer beim Altar schwört, der schwört bei ihm und bei allem, was darauf liegt. Und wer beim Tempel schwört, der schwört bei ihm und bei dem, der darin wohnt. Und wer beim Himmel schwört, der schwört beim Thron Gottes und bei dem, der darauf sitzt. Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz außer Acht: Recht, Barmherzigkeit und Treue.« (Matthäus 23,16–23)

Jesus stellt einige gravierende Fehler im Denken der Pharisäer heraus, er erweist sich also durchaus als Rechthaber. Der Begriff hat einen negativen Beigeschmack, aber wie so oft kommt es auf den Blickwinkel an. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass man nie jemanden als Rechthaber beschimpft, der falsch liegt? Zwar wird der Ausdruck meistens für Menschen verwendet, die mit enervierender Beharrlichkeit ihren Standpunkt kundtun, unabhängig davon, ob jemand danach gefragt hat oder nicht. Aber unter keinen Umständen würde man jemanden einen Rechthaber heißen, der ständig nur Unsinn von sich gibt, und sei es mit noch so großem Nachdruck. Für derartige Gestalten würden einem ganz andere Begriffe in den Sinn kommen.

Die Schriftgelehrten und Pharisäer dienen in den Evangelien als Negativfolie für die Verkündigung Jesu, aber nicht, weil sie standhaft auf ihrem Recht beharren, sondern weil sie im Unrecht sind. Deshalb weist sie unser Herr mit scharfen Worten zurecht und zeigt gerade da- durch seine Liebe, denn es steht geschrieben: »Ja, selig der Mensch, den Gott zurechtweist. Die Zucht des Allmächtigen verschmähe nicht!« (Hiob 5,17) Und noch deutlicher heißt es im Hebräerbrief: »Wen der Herr liebt, den züchtigt er.« (12,6) Da haben wir es also! Recht haben und lieb haben sind keineswegs Gegensätze, vielmehr gehören sie zusammen. Wer also seinen Nächsten in einem theologischen Irrtum verharren lässt, tut ihm keinen Gefallen, sondern versündigt sich an ihm.

Die Schriftgelehrten und Pharisäer sind Musterbeispiele dafür, wie falsches Denken zu falschem Handeln führt. Ihre falsche Kategorisierung und Priorisierung führen dazu, dass sie sich auf Kleinigkeiten und Formalitäten fixieren, während sie die entscheidenden Tugenden wie Glaube und Liebe außer Acht lassen. Das hat beispielsweise zur Folge, dass die Jesus unter Verweis auf das Sabbat- gebot die Heilung eines Kranken untersagen wollen, worauf dieser, wieder mal rechthaberisch, mit den berühmten Worten reagiert: »Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, nicht der Mensch um des Sabbats willen.« (Markus 2,27) Die falsche Selbsteinschätzung der Pharisäer macht sie zu eben jenen selbstgerechten Heuchlern, zu denen sie sprichwörtlich geworden sind. In völliger Verkennung ihrer eigenen Sündhaftigkeit spricht der Pharisäer im Tempel: »Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.« (Lukas 18,11–12) In beiden Fällen liegt die Ursache für ihr falsches Handeln in ihrem falschen Denken begründet, denn aus falschem Denken muss notwendigerweise falsches Handeln erwachsen – mit Ausnahme der wenigen Fälle, in denen auch mal ein blindes Huhn ein Korn findet.

Allerdings muss man sich vor einem vermeintlichen Umkehrschluss hüten. Falsches Denken führt immer zu falschem Handeln, aber keineswegs führt richtiges Denken automatisch zu richtigem Handeln. Das war einst die idealistische Vorstellung des Sokrates gewesen, doch wir Christen wissen um die Gebrochenheit der menschlichen Seele, in der nicht alles so geradlinig verläuft, wie es wünschens- wert wäre. Der Apostel Paulus bringt es auf den Punkt
»Wir wissen nämlich, dass das Gesetz selbst vom Geist be- stimmt ist; ich aber bin fleischlich, das heißt: verkauft unter die Sünde. Denn was ich bewirke, begreife ich nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse.« (Römerbrief 7,14–15)

Allein mit dem richtigen Denken wird man vor Gott nicht bestehen können, ein liebendes Herz wird hier ent- scheidend sein. Dennoch bleibt das richtige Denken eine notwendige, wenngleich nicht hinreichende Bedingung christlicher Existenz.